Wart ihr schonmal in Eisenerz und seit dort gewandert oder vielleicht einen der Klettersteige auf den Pfaffenstein gegangen? Vielleicht habt ihr dann die Sprengungen gehört und das riesige Gebiet des Tagebaus am Erzberg gesehen. Bereits im 11. Jahrhundert wurde hier schon Siderit abgebaut, es handelt sich um das größte Vorkommen weltweit. (1) Zwar ist Siderit kein kritischer Rohstoff, allerdings macht es sehr deutlich, dass der Abbau von Rohstoffen auch optische Auswirkungen auf die Landschaft haben kann. Und es lässt erahnen, dass auch in Österreich Rohstoffe abgebaut werden. Heute wollen wir uns die Geschichte dahinter ein bisschen anschauen.
Bereits seit mehreren Jahrhunderten wird Kupfer, ein kritischer Rohstoff, in Österreich abgebaut. Dabei nahm der Bergbau auch immer wieder Einfluss auf Politik und Kultur. So beteiligten sich Bergarbeiter:innen an Aufständen von Bäuer:innen im 16. Jahrhundert und später wurden eigene Bildungseinrichtungen für die Bergarbeiter:innen geschaffen. (2) In diesem Kontext ist das wohl bekannteste Beispiel die Montanuniversität Leoben, welche 1840 gegründet wurde. (3) Außerdem zählen die „Bräuche der Berg und Hüttenleute an der steirischen Eisenstraße“ seit 2018 zum „immateriellen Kulturerbe“ der UNESCO. Dazu gehören unter anderem gewisse Tänze, Lieder und Kleidung. (4)
Ein konkretes Fallbeispiel zum historischen Abbau von kritischen Rohstoffen in der Steiermark, welches wir euch heute vorstellen wollen, ist der Abbau von Arsen in Gasen.
Arsen bzw. Arsenik wird in der Steiermark schon seit dem Mittelalter abgebaut. Dabei galt es von Anfang an als Aufputsch- und „Zaubermittel“. (5) Am Straßegg in Gasen wurde Arsen (mundartlich auch „Hüttenrauch“ genannt) ab dem 14. Jahrhundert abgebaut. (6) Das gewonnene Halbmetall wurde hauptsächlich zur Herstellung von Glas in Venedig eingesetzt. (7) Somit hatte der Abbau am Straßegg/ Zuckenhut auch eine nicht unwesentliche Bedeutung für den Handel des Adels und des wohlhabenden Bürgertums. Auch gesellschaftliche Konflikte hatten Einfluss auf den Bergbau. So beteiligten sich die Bergarbeiter:innen im Jahr 1525 am „Ennstaler Bauernaufstand“.
Der Abbau wurde im Laufe der Zeit von verschiedenen Besitzern geleitet, im 16. Jahrhundert war dies sogar mal eine Frau. Der professionelle Arsenabbau wurde am Ende des 16. Jahrhunderts eingestellt, im kleineren Ausmaß wurde der Betrieb aber bis ins 19. Jahrhundert weitergeführt. In diesem Zeitraum herrschten katastrophale Arbeitsbedingungen und im Zuge dessen starben zahlreiche Menschen im Umgang mit dem bekanntlich hochgiftigen Arsenik. (8)
Der Missbrauch von Arsen als Droge nahm bis um 1970 in der Steiermark, besonders in Teilen der Ober- und Oststeiermark ein enormes Ausmaß an. Es hatte für ärmere Bevölkerungsschichten eine ähnliche Bedeutung wie Kokain für die wohlhabendere Bevölkerung. Menschen, die Arsen zur Berauschung einnahmen wurden umgangssprachlich „Arsenesser“ genannt. Auch Pferden wurde das Mittel verabreicht, um eine aufputschende Wirkung zu erzielen. Arsen stellte aber, trotz seiner toxischen Wirkung, für Frauen eine der wenigen Möglichkeiten zur Verhütung dar. (9) Außerdem wurde dem Mittel auch eine heilsame Wirkung zugeschrieben. (10) Wie sich der Umgang mit Arsen im Detail gestaltete, ist Aufgrund mangelnder Überlieferungen bisher nicht ausreichend erforscht. (11)
Und auch wenn in Eisenerz keine kritischen Rohstoffe abgebaut wurden und werden, so bleibt es dennoch wichtig zu erwähnen, dass sich dort von Juni 1943 bis März 1945 ein KZ-Außenlager befand und Menschen unter Zwang am Erzberg gearbeitet haben. Während dieser Zeit sind 12 Menschen ums Leben gekommen. (12)
Wie wir bereits in unseren vorangegangenen Beiträgen erklärt haben, bestehen bis heute durch den Kolonialismus verursachte Unterschiede zwischen Globalem Norden und Globalem Süden, in denen Macht und Ausbeutung große Rollen einnehmen. Deswegen ist es auch weiterhin wichtig, die Geschichte zu kennen und im Kampf für mehr Gerechtigkeit auf der Welt unterdrückten Gruppen zuzuhören!
- Erzberg https://de.wikipedia.org/wiki/Erzberg [07.06.2024]
- Diem, Peter (2017). Bergbau und Minerale in Österreich. https://austria-forum.org/af/AEIOU/Bergbau_und_Minerale [10.06.2024]
- Montanuniversität Leoben. Geschichtlicher Überblick. https://www.unileoben.ac.at/universitaet/geschichte/ [10.06.2024]
- Österreichische Nationalkommission der UNESCO. (2024). Immaterrielles Kulturerbe: Bräuche der Berg und Hüttenleute an der steirischen Eisenstraße. https://www.unesco.at/kultur/immaterielles-kulturerbe/oesterreichisches-verzeichnis/detail/article/braeuche-der-berg-und-huettenleute-an-der-steirischen-eisenstrasse [10.06.2024]
- Byloff, Fritz (1935). Die steirische Arsenikesserei in geschichtlicher Betrachtung. In: Zeitschrift des Historischen Vereines für Steiermark Jahrgang 29. S.108.
- Schlacher, Alfred (1974). In der Gasen II. S.123.
- Modl, Daniel / Grundmann, Günter/ Bojar, Hans-Peter (2022). Der Arsenbergbau Zuckenhut/Straßegg (Breitenau/Gasen, Steiermark, Österreich) – Archäologische und mineralogische Untersuchungen zur Herstellung von künstlichen Arsensulfiden. In: res montanarum 62. S.107.
- Schlacher, Alfred (1974). In der Gasen II. S.125-129.
- Müller, Walter (2018). Arsen, das Kokain der steirischen Bauersleut‘. In: der Standard. https://www.derstandard.at/story/2000071486186/arsen-das-kokain-der-steirischen-bauersleut [10.06.2024]
- Ufer, Gesa / Brugner, Simon (2019). Die Arsen-Esser der Steiermark. In: Deutschlandfunk Kultur. https://www.deutschlandfunkkultur.de/historische-drogenkultur-in-oesterreich-die-arsen-esser-der-100.html [10.06.2024]
- Müller, Walter (2018). Arsen, das Kokain der steirischen Bauersleut‘. In: der Standard. https://www.derstandard.at/story/2000071486186/arsen-das-kokain-der-steirischen-bauersleut [10.06.2024]
- Mauthausen Guides. KZ-Außenlager Eisenerz. https://www.mauthausen-guides.at/aussenlager/kz-aussenlager-eisenerz [10.06.2024]