Wir wollen uns heute die soziale Frage für den österreichischen Bergbau stellen. Uns begleitet folgend Frage: Welche sozialen und klassenkämpferischen Herausforderungen gibt es im Kontext Bergbau in Österreich?
Kollektivverträge und Arbeitssicherheit im österreichischen Bergbau
Bergleute im Abbau (kritischer) Rohstoffe, wie das letzte Woche behandelte Wolfram, sind durch die lokalen Gesetze und Kollektivverträge der Bergbau und Stahl Industrie geschützt. (1) Bergleute, die Untertage arbeiten, sind für die späteren Beiträge zum Bergbau im Globalen Süden am besten vergleichbar und können für eine Gegenüberstellung von Arbeitsbedingungen gut herangezogen werden. Heute wollen wir euch daher über die Arbeitsbedingungen für Bergleute in Österreich aufklären und kritische Fragen stellen.
Arbeitszeit
Die Arbeitszeit eines:r Arbeiter:in im Bergbau in Österreich wird auf 38,5h, „nach Möglichkeit gleichmäßig auf 5 Tage verteilt“ festgeschrieben. (2) Für den untertägigen Bergbau wird die reguläre Arbeitszeit auf 6h pro Tag reduziert. (3) Im Kollektivvertrag der Bergleute bleibt allerdings die Möglichkeit in einer 6-Tage Woche zu arbeiten offen. Es wird nur optional darauf verwiesen, die 38,5h Arbeitszeit auf vier Arbeitstage zu verteilen. (4) Aktuelle Studien zeigen jedoch, dass eine 4-Tage-Woche bei gleichen Bezügen dem Sozialleben der Arbeiter:innen, der Arbeitsmoral und der Produktivität zuträglich ist. (5) Eine 5-Tage-Woche oder eine 4-Tage-Woche bei gleicher Wochenarbeitszeit, wie es der Kollektivvertrag vorsieht, sind keine sozialverträglichen und fairen Optionen. Der Kollektivvertrag für Bergleute folgt noch immer veralteten Vorstellungen von Lohnarbeit. Die 4-Tage-Woche muss daher als zukunftsweisende und sozialverträgliche Lohnarbeitsregulierung für den Österreichischen Bergbau erkämpft werden.
Kollektivverträge und Lohn
In Österreich wird anders als in vielen Ländern nach Kollektiv entlohnt. Der Kollektivvertrag für den Bergbau und die Stahlindustrie sieht einen Mindestlohn von 2426,23€ vor. Das ist eine Steigerung zum vorherigen Kollektivvertrag von durchschnittlich 8,5 %. Grundsätzlich ist eine Lohnerhöhung eine erfreuliche Verbesserung. Leider stellt sich uns die Frage, wie es im Interesse einer Sozialpartnerin sein kann, Lohnunterschiede von 300% im selben Berufsfeld zu unterstützen. Nach Kollektiv verdient ein:e „Arbeitnehmer/in[…] in leitenden, das Unternehmen entscheidend beeinflussenden Stellungen; ferner Arbeitnehmer/innen mit verantwortungsreicher und schöpferischer Arbeit“ mit mindestens 7.333,83 € fast das 3-fache eines/einer Arbeiter:in der untersten Gehaltstufe (Mindestlohn hier 2426,23€). (6) Wir fragen uns, warum es trotz sinkender Beschäftigungszahlen, zunehmender Technologisierung und relativ konstanter Wertschöpfung im österreichischen Bergbau den Unternehmen nicht möglich scheint alle Bergleute radikal höher zu entlohnen, ohne solche Differenzen zu schaffen. (7)
Arbeitssicherheit
In Österreich unterliegt der Bergbau strengen Sicherheitsauflagen. (8) Dennoch kommt es regelmäßig zu Unfällen. (9) Langfristig sinken die Verletzungszahlen im Bergbau und seit 2010 stagnieren die Unfallzahlen im Bergbau bei rund 130 Unfällen pro Jahr. „In der Zeit zwischen 1987 und 2015 ist die Zahl der Unfälle […] um ca. 85 % gesunken. In derselben Zeit sank auch die Zahl der Arbeitnehmer:innen im Bergbau um ca. 65 %.“. (10) Es wird auch zukünftig nicht vermeidbar sein, dass sich Bergleute verletzten. So verletzten sich 2022 noch immer 2,7% bei der Arbeit im Bergbau. Wir stellen uns daher die Frage: Ist ein so gefährlicher Job mit 2426,23€ gerecht entlohnt?
Lohndumping
Aus betriebswirtschaftlicher Sicht sind Sicherheitsstandards und eine faire Entlohnung bei sozialverträglichen Arbeitszeiten ein Kostenfaktor. Eine Konsequenz, die auch die Reduzierung der Bergleuten von 13.000 im Jahr 1987 auf 4.600 im Jahr 2022 erklärt, war die Verlagerung der Rohstoffgewinnung ins außereuropäische Ausland. (11) Aufgrund nichtexistierender Sicherheits- und Sozialstandards konnte und kann dort billiger abgebaut und Gewinnmargen erhöht werden. Folglich wird der Weltmarkt für Rohstoffe wird von den Preisen aus Billiglohnländern dominiert, was einen enormen Druck auf österreichische Bergbauunternehmen ausübt. (12) Mienen, wie zum Beispiel die in Mittersill, können nicht zu denselben Preisen Abbauen und werden unrentabel. So drohte dem Bergwerk Mittersill in den 1990er Jahren sogar zeitweise das Aus. Um diesem teils selbstverschuldeten Preisdruck standhalten zu können, läuft der Bergbau in Österreich Gefahr Löhne und oder Sozialleistungen für Bergleute künstlich zu senken. Das nennt sich Lohndumping. Somit leiden nicht nur Bergleute im Globalen Süden, sondern auch in Österreich, unter der Profitmaximierungsstrategie die Bergbauunternehmen im Kapitalismus verfolgen und werden schlussendlich gegeneinander ausgespielt. Natürlich gibt es vereinzelt Unternehmen, wie die Wolfram und Hütten AG, die sehr bewusst darauf achten auch im Ausland Lohnstandards zu setzten und einzuhalten. Dies ist jedoch nur ein Einzelfall mit wenig Einfluss auf den globalen Preisdruck. Um den Bergbau fair und sozial gerecht zu gestalten, bedarf es einer grundsätzlichen globalen Änderung der Produktionslogik die momentan jedoch noch tief unter der Erdoberfläche zu schlummern scheint. Glück auf!
(1) Bergpolizei Österreich (2024) Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Allgemeine Bergpolizeiverordnung, Fassung vom 30.04.2024. Unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006244. Letzter Zugriff: 30.04.2024.
Wirtschaftskammer Österreich (WKO) (2023) Kollektivverträge Bergbau. Unter: https://www.wko.at/oe/kollektivvertrag/kollektivvertrag-bergwerke-stahlindustrie-arbeiter-2023.pdf. Letzter Zugriff: 30.05.2024. S.22.
(2) Wirtschaftskammer Österreich (WKO) (2023) Kollektivverträge Bergbau. Unter: https://www.wko.at/oe/kollektivvertrag/kollektivvertrag-bergwerke-stahlindustrie-arbeiter-2023.pdf. Letzter Zugriff: 30.05.2024. S.22.
(3) Bergpolizei Österreich (2024) Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Allgemeine Bergpolizeiverordnung, Fassung vom 30.04.2024. Unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006244. Letzter Zugriff: 30.04.2024.
(4) Wirtschaftskammer Österreich (WKO) (2023) Kollektivverträge Bergbau. Unter: https://www.wko.at/oe/kollektivvertrag/kollektivvertrag-bergwerke-stahlindustrie-arbeiter-2023.pdf. Letzter Zugriff: 30.05.2024.
(5) Beil, L (2024) 4-Tage-Woche: Macht sie uns produktiver und gesünder ? ARD-Alpha. Verfügbar unter: https://www.ardalpha.de/wissen/gesundheit/gesund-leben/4-tage-woche-arbeiten-gesundheit-produktiv-arbeitsstunden-arbeitszeit-100.html. Letzter Zugriff: 30.05.2024.
(6) Wirtschaftskammer Österreich (WKO) (2023) Kollektivverträge Bergbau. Unter: https://www.wko.at/oe/kollektivvertrag/kollektivvertrag-bergwerke-stahlindustrie-arbeiter-2023.pdf. Letzter Zugriff: 30.05.2024.
(7) Statista (2022) Statistiken zum Bergbau in Österreich. Unter: https://de.statista.com/themen/2252/bergbau-in-oesterreich/#topicOverview. Letzter Zugriff: 30.05.2024.
(8) Bergpolizei Österreich (2024) Bundesrecht konsolidiert: Gesamte Rechtsvorschrift für Allgemeine Bergpolizeiverordnung, Fassung vom 30.04.2024. Unter: https://www.ris.bka.gv.at/GeltendeFassung.wxe?Abfrage=Bundesnormen&Gesetzesnummer=10006244. Letzter Zugriff: 30.04.2024.
(9) Bundesministerium der Finanzen Österreich (BMF) (2022) Unfallgeschehen 2022 im österreichischen Bergbau. Unter: https://www.bmf.gv.at/themen/bergbau/sicherheit-im-bergbau/unfallgeschehen-2022-im-oesterreichischen-bergbau.html Letzter Zugriff: 30.04.2024.
(10) Bundesministerium der Finanzen Österreich (BMF) (2022) Unfallgeschehen 2022 im österreichischen Bergbau. Unter: https://www.bmf.gv.at/themen/bergbau/sicherheit-im-bergbau/unfallgeschehen-2022-im-oesterreichischen-bergbau.html Letzter Zugriff: 30.04.2024.
(11) Paulik, H (2022) Rohstoffmangel: Wir müssen den Bergbau wiederentdecken. Der Standard. Unter: https://www.derstandard.at/story/2000136224698/wir-muessen-den-bergbau-wiederentdecken. Letzter Zugriff: 30.05.2024.
(12) ORF Salzburg (2019) Erfolgreicher Wolfram-Abbau am Felbertauern. Unter: https://salzburg.orf.at/v2/news/stories/2959639/. Letzter Zugriff: 30.04.2024.
Swoboda, N (2021) Wie Wolfram unsere Welt bewegt. Kleine Zeitung. Unter: https://www.kleinezeitung.at/steiermark/5979228/Versteckter-Weltmarktfuehrer_Wie-Wolfram-unsere-Welt-bewegt. Letzter Zugriff: 30.04.2024.
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