Der Abbau von kritischen Rohstoffen führt in betroffenen Regionen zu einer Vielzahl an sozialen und kulturellen Auswirkungen. Diese Woche möchten wir die Perspektive von betroffenen Menschen, insbesondere jene von indigenen Gemeinschaften einnehmen und einige Problemlagen aufzeigen.
Welche Auswirkungen hat der Abbau von kritischen Rohstoffen auf indigene Gemeinschaften?
Grundsätzlich sind indigene Gemeinschaften in vielen Ländern oft vom politischen, wirtschaftlichen und kulturellen Geschehen weitgehend abgeschnitten und erleben fortwährend die Folgen von gesellschaftlicher Diskriminierung. Ihr Lebensstandard liegt oft merklich unter dem der ärmsten Schichten der restlichen Bevölkerung. Viele Länder verletzen die Kollektivrechte der indigenen Gemeinschaften, besonders das Recht auf Selbstbestimmung und den freien Zugang zu natürlichen Ressourcen. (1) Allerdings sind viele Lebensgrundlagen von Rohstoffexporten abhängig. Da viele Rohstoffe zwar in Ländern des Globalen Südens gewonnen, aber erst außerhalb verarbeitet werden (und erst dann einen höheren Wert erzielen), bleibt nur wenig für die lokale Bevölkerung. (2)
In Lateinamerika beispielsweise, wo Ressourcenausbeutung eine lange Tradition hat, zeigt sich das Phänomen „Landgrabbing“ (zu Deutsch: Landraub) deutlich. Landgrabbing, das als „Aneignung von Boden in einem armen Land durch kapitalkräftige, ausländische Akteure ohne große Rücksicht auf rechtliche oder soziale Rahmenbedingungen“ beschrieben werden kann, wird dort aufgrund landwirtschaftlicher oder rohstoffbasierter Nutzung betrieben. Menschen müssen daher ihre Lebensräume verlassen und ihre Lebensgrundlagen aufgeben. (3) Auch in Peru wird deutlich, dass der Abbau kritischer Rohstoffe mit gesellschaftlichen Konflikten in Zusammenhang steht. Demnach stehen mehr als 80 % der sozial-ökologischen Konflikte in Peru mit industriellem Bergbau in Zusammenhang. Konfliktgegenstände sind der „Verlust und die Zerstörung der Lebensgrundlagen der lokalen Bevölkerung, der Zugang zu und die Verschmutzung von Land und Wasser, fehlende demokratische Beteiligung bei rohstoffpolitischen Entscheidungen, Gesundheitsfolgen, Menschenrechtsverletzungen, die Verteilung und Verwaltung der Rohstoffgewinne, Arbeit und Arbeitsbedingungen, Entschädigungszahlungen und die Verbesserung der Lebensbedingungen in den Abbaugebieten“(4)
Auch in der Europäischen Union gibt es ein Beispiel für indigene Gemeinschaften, die von den Auswirkungen des Abbaus kritischer Rohstoffe betroffen sind. Im Jahr 2023 veröffentlichten „European Critical Raw Material Act“ der Europäischen Kommission wird der verstärkte Fokus auf Ressourcenabbau in der Europäischen Union forciert. (5) Vor allem in Ländern Skandinaviens könnten benötigte Ressourcen erschlossen werden, allerdings sind dortige Gebiete Lebensgrundlage für das indigene Volk der Sami, welches von der Rentierzucht lebt. (6)
Indigener Widerstand
In den betroffenen Regionen gibt es Aktivist*innen, Initiativen, NGO´s und andere Gruppen, die sich gegen Regierungen oder Konzerne zur Wehr setzten. Allerdings sind diese Gruppen zunehmend mit Repressionen konfrontiert. Ein alarmierender weltweiter Trend zeigt die wachsende Zahl von Angriffen auf indigene Gemeinschaften und der zunehmenden Bedrohung sowie Kriminalisierung dieser Gruppen im Kontext von Großprojekten. Laut der Nichtregierungsorganisation „Global Witness“ sind indigene Land- und Umweltschutzaktivisten einem besonders erhöhten Risiko von Gewaltverbrechen ausgesetzt. (7)
Exkurs: Das Konzept “Buen Vivir“
Zum Abschluss möchten wir euch kurz das Konzept „Buen Vivir“ vorstellen, welches auf Vorstellungen und Wissen indigener Gruppen aus Lateinamerika basiert und das gute Leben für alle, jenseits von wirtschaftlichem Wachstum und Ressourcenausbeutung, in den Fokus stellt. Das „Gute Leben“ basiert auf der Idee, dass das „menschliche Individuum, integriert in seine Gemeinschaft, das harmonische Beziehungen mit der Natur pflegt und dabei, individuell genauso wie in der Gemeinschaft, nach dem Aufbau eines nachhaltigen, würdigen Lebens für alle strebt“ (8). Mensch und Natur werden nicht als zwei unterschiedliche Einheiten betrachtet, sondern stehen direkt miteinander in Verbindung. Die Natur wird somit nicht als ausbeutbare Ressource betrachtet, und erfährt damit eine besondere Bedeutung. Seit 2008 ist die Natur in der ecuadorianischen Verfassung als Rechtssubjekt verankert, die Natur erhält somit Rechte, wodurch Verletzungen dieser Rechte vor Gericht einklagbar werden. (9)
Wer sich mehr mit dem Konzept „Buen Vivir“ auseinandersetzten möchte hier ein Buchtipp:
Alberto Acosta: Buen Vivir- Vom Recht auf ein gutes Leben. Das Wissen der Anden für eine Welt jenseits des Wachstums.
Quelle: Selbst aufgenommen
Literaturverzeichnis
(1) Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2022): Rechte indigener Völker. Abrufbar unter: https://www.bmz.de/de/themen/rechte-indigener-voelker
(2) Altvater, Elmar: Im Sog der Rohstoffe. In: oekom e. V. – Verein für ökologische Kommunikation (2013): Lateinamerika. Zwischen Ressourcenausbeutung und „gutem Leben“. S.28-30
(3) Exenberger, Andreas: Modernes Land Grabbing. Theoretischer Hintergrund und aktuelle Evidenz zu einem aufgeladenen Thema. In: Englert, Birgit; Gärber, Barbara: Landgrabbing. Landnahmen in historischer und globaler Perspektive. S.135
(4) Prause, Louisa; Dietz, Kristina: Die sozial-ökologischen Folgen der E-Mobilität. Konflikte um den Rohstoffabbau im Globalen Süden. In: Brunnengräber, Achim; Haas, Tobias (2020) : Baustelle Elektromobilität. Sozialwissenschaftliche Perspektiven auf die Transformation der (Auto-)Mobilität. S. 336-337
(5) Europäische Kommission (2023): European Critical Raw Materials Act. Factsheet. Abrufbar unter: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/fs_23_1663
(6) Deutschlandfunk Kultur (2020): Goldrausch in Lappland. Rentierzüchter verteidigen Weidefläche. Abrufbar unter: https://www.deutschlandfunkkultur.de/goldrausch-in-lappland-rentierzuechter-verteidigen-100.html
(7) Bundesministerium für wirtschaftliche Zusammenarbeit und Entwicklung (2022): Rechte indigener Völker. Abrufbar unter: https://www.bmz.de/de/themen/rechte-indigener-voelker
(8) Acosta, Alberto (2015): Buen Vivir. Vom Recht auf ein gutes Leben. S.16
(9) Acosta, Alberto (2015): Buen Vivir. Vom Recht auf ein gutes Leben. S.36
Beitragsbild: https://pixabay.com/de/photos/zampo%C3%B1ada-anden-sicuri-bolivien-5216684/