Beim Ausdruck “kritische Rohstoffe” kommen einem schnell ökologisch kritische Abbaubedingungen oder auch soziale Ungleichheiten sowie Konflikte in den Sinn, die sich durch die Gewinnung bestimmter Rohstoffe und deren Handel ergeben. Es stimmt – kritische Rohstoffe können einen großen sozialen und ökologischen Einfluss haben. Der Begriff “kritisch” bezieht sich hier allerdings auf eine andere Dimension:
Kritische Rohstoffe sind unverzichtbar für die Wirtschaft
Zu den kritischen Rohstoffen (englisch: Critical Raw Materials, kurz: CRMs) zählen jene Rohstoffe, welche unverzichtbar für die europäische Wirtschaft sind, aber gleichzeitig ein hohes Versorgungsrisiko aufweisen. Dazu zählen Rohstoffe, die für Schlüsselsektoren benötigt werden, wie z.B. Telekommunikation, die Herstellung von medizinischen Geräten, Verteidigung und Raumfahrt, aber auch dem Automobilsektor sowie Umwelttechnologien. Kritische Rohstoffe sind somit strategisch wichtig. Gleichzeitig sind diese Rohstoffe unersetzbar, weil sie besondere Eigenschaften aufweisen, für die es kaum leistbare Substitute gibt, die ähnlich zuverlässig sind. (1) Beispiele dafür wären Lithium, welches für Batterien benötigt wird, oder auch Silizium, das in der Halbleiterproduktion gebraucht wird. (2)
Abhängigkeiten im Import
Ein weiterer Faktor, der aus einem Rohstoff einen kritischen Rohstoff macht: Die Verfügbarkeit ist von einer hohen Importabhängigkeit und Konzentration der Rohstoffe in bestimmten Ländern geprägt. Aufgrund dieser geographischen Bedingungen kann der europäische Bedarf nur durch Importe aus Drittländern gedeckt werden. (1) Wie in Abbildung 1 ersichtlich, zählen China, Russland, Brasilien und einige weitere Länder zu den Hauptexporteuren der Europäischen Union für diese kritischen Rohstoffe.
Um einige Beispiele zu nennen: Südafrika deckt 71% des Platin-Bedarfs der EU – Platin wird in Brennstoffzellen verwendet. China stellt 100% der HREE (schwere seltene Erden), die wesentlich zur Herstellung von E-Motoren und Batterien sind, zur Verfügung. Und die Demokratische Republik Kongo deckt 63% des EU-Kobalt-Bedarfs (unverzichtbar in Smartphones und Elektroautos). Zu den weiteren Hauptexporteuren der Europäischen Union zählen Brasilien, die USA oder auch Russland, wie in Abbildung 1 ersichtlich ist. (2)
Abbildung 1: Hauptanbieter kritischer Rohstoffe für die EU (2)
Kritische Rohstoffe und die Wirtschaft der Zukunft
Um die Versorgung mit kritischen Rohstoffen, das Funktionieren der EU-Lieferketten sowie um in weiterer Folge die Wettbewerbsfähigkeit sicherzustellen, wurde der Critical Raw Materials Act (kurz: CRMA) ins Leben gerufen. Im Zuge dessen hat die Europäische Kommission eine Liste kritischer Rohstoffe erstellt, um ein Bewusstsein für das Versorgungsrisiko und die Bedeutung kritischer Rohstoffe zu schaffen – diese wurde zuletzt 2023 überarbeitet und enthält folgende 34 Rohstoffe: (3)
Abbildung 2: Liste der kritischen Rohstoffe 2023; Kursiv: Diese Rohstoffe weisen eine besondere strategische Bedeutung auf. Kupfer und Nickel sind keine CRMs, aber sind strategisch wichtig und wurden deshalb in die Liste mitaufgenommen. (4)
CRMs stehen oft am Beginn vieler Lieferketten und sind ein wesentlicher Baustein für die langfristige Wettbewerbsfähigkeit der europäischen Wirtschaft. Die globale Nachfrage steigt aufgrund des zunehmenden digitalen Konsums, aber auch durch deren Bedeutung für grüne Technologien wie z.B. Lithium-Batterien in E-Fahrzeugen oder seltene Erden in Windturbinen. Aus diesem Grund kann die grüne und digitale Transformation der Wirtschaft nur gelingen, wenn die Versorgung mit kritischen Rohstoffen gesichert ist. (5)
(1) Critical Raw Materials Alliance. What are Critical Raw Materials? Abgerufen von: https://www.crmalliance.eu/critical-raw-materials
(2) Europäische Kommission (2023): Study on the Critical Raw Materials for the EU 2023 – Final Report. Abgerufen von: https://op.europa.eu/en/publication-detail/-/publication/57318397-fdd4-11ed-a05c-01aa75ed71a1
(3) Europäische Kommission. Critical raw materials. Abgerufen von: https://single-market-economy.ec.europa.eu/sectors/raw-materials/areas-specific-interest/critical-raw-materials_en?prefLang=de
(4) Bundesministerium für Finanzen. Kritische Rohstoffe. Abgerufen von: https://www.bmf.gv.at/themen/bergbau/mineralrohstoffpolitik/europaeische-union/kritische-rohstoffe.html
(5) Europäische Kommission (2023): Factsheet on European Critical Raw Materials Act. Abgerufen von: https://ec.europa.eu/commission/presscorner/detail/en/fs_23_1663