„Im Jahr 2021 gaben die EU-Länder und die Institutionen der EU gemeinsam insgesamt 70,2 Milliarden Euro für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit aus“(4). Auf den ersten Blick klingt Entwicklungszusammenarbeit einfach: Wohlhabende Länder spenden Geld, und einkommensschwache Länder nutzen dies für den Aufbau ihrer Wirtschaft – Problem gelöst. In der Realität ist das Thema jedoch deutlich komplexer. In diesem Blogpost schauen wir uns an, ob Entwicklungszusammenarbeit wirklich hilft – oder ob sie vielleicht sogar neue Abhängigkeiten schafft. Dafür werfen wir einen kurzen Blick auf die Studien von Kaja et al. (2012) und Fentahun (2023). Beide zeigen: Es gibt keine einfache Antwort. Manche Untersuchungen sagen, dass Hilfe wirkt. Andere zeigen, dass das Geld oft nicht richtig ankommt oder sogar negativen Einfluss hat.
Die lange Geschichte von Fremdbestimmung und Abhängigkeit
Wer verstehen will, warum Entwicklungszusammenarbeit heute so kompliziert ist, muss einen Blick in die Vergangenheit werfen. Ein wichtiges Kapitel: der sogenannte „Scramble for Africa“. Im 19. Jahrhundert teilten europäische Länder Afrika unter sich auf – fast so, als würden sie einen Kuchen aufschneiden. Das hatte Folgen: Volksgruppen wurden voneinander getrennt oder zwangsweise zusammengelegt. Viele der Probleme, mit denen Länder in Afrika heute zu kämpfen haben, hängen mit dieser kolonialen Vergangenheit zusammen.
Auch wenn viele afrikanische Staaten seit den 1960er Jahren offiziell unabhängig sind, blieb vieles wie vorher. Die politische Macht wechselte zwar die Hände, aber wirtschaftlich und strukturell blieben viele Länder abhängig. Fentahun nennt das treffend: „Flaggen-Abhängigkeit“ – die Flagge ist neu, aber die Abhängigkeit bleibt (1).
Westliche Hilfe – Hilfe oder neue Abhängigkeit?
Seit den 1960er Jahren sind Milliarden nach Afrika geflossen. Die Idee dahinter: Armut bekämpfen, für mehr politische Stabilität sorgen und den Aufbau von Demokratien unterstützen. Doch die Bilanz ist ernüchternd. In vielen Ländern ist von nachhaltiger Entwicklung oder stabilen Demokratien wenig zu sehen. Stattdessen sind einige heute abhängiger von externer Hilfe als je zuvor.
Manche Kritiker:innen sprechen von einer neuen Form des Neokolonialismus: Hilfe wird nicht nur aus Solidarität gegeben, sondern diene oft dazu, sich Zugang zu Rohstoffen zu sichern oder geopolitisch mitzumischen. Eine Studie zeigt: Nur etwa 36 % der Hilfsgelder orientieren sich wirklich am Bedarf der Empfängerländer (2). Fast die Hälfte wird von den Eigeninteressen der Geberländer beeinflusst – also davon, was ihnen selbst nützt.
Es gibt auch Erfolge
Trotz dieser Kritik gibt es auch positive Beispiele, in denen Entwicklungszusammenarbeit sehr wohl gewirkt hat. Länder wie Botswana, Indien, Indonesien, Uganda oder Südkorea konnten mithilfe internationaler Unterstützung wichtige Fortschritte erzielen. Besonders im Gesundheitssektor wurde viel erreicht: Bessere medizinische Versorgung und höhere Lebenserwartung.
Fokus Landwirtschaft: Wo Hilfe besonders wirksam ist
Es gibt auch weitere Positivbeispiele – besonders im Agrarsektor. Eine Studie von Kaja et al. (2012) zeigt klar: Hilfe, die gezielt in die Landwirtschaft fließt, kann das Wirtschaftswachstum deutlich fördern. Warum gerade Landwirtschaft? Ganz einfach: In vielen ärmeren Ländern leben die meisten Menschen auf dem Land – und genau dort ist auch die Armut am größten. Wer hier ansetzt, erreicht direkt die Menschen, die Hilfe am dringendsten brauchen.
Und wie weiter?
Entwicklungshilfe ist kein Schwarz-Weiß-Thema. Sie kann wirkungsvoll sein, wenn sie lokal angepasst, transparent und langfristig ausgerichtet ist. Besonders in der Landwirtschaft liegt großes Potenzial, Entwicklung von innen heraus zu stärken. Doch wenn sie mit politischen Bedingungen verknüpft ist, die mehr den Interessen der Geber:innnen als den Bedürfnissen der Empfänger:innen dienen, entsteht nicht Entwicklung – sondern Abhängigkeit.
Quellenverzeichnis
(1) Fentahun, G. (2023). Foreign aid in the post-colonial Africa: Means for building democracy or ensuring Western domination? Cogent Social Sciences, 9(1). https://doi.org/10.1080/23311886.2023.2241257
(2) Hoeffler, A., & Outram, V. (2011). Need, merit, or self‐interest—what determines the allocation of aid?. Review of Development Economics, 15(2), 237-250.
(3) Kaya, O., Kaya, I. and Gunter, L. (2012), Development Aid to Agriculture and Economic Growth. Review of Development Economics, 16: 230-242. https://doi.org/10.1111/j.1467-9361.2012.00658.x
(4) Statista. (2022, Juli). Ausgaben für die öffentliche Entwicklungszusammenarbeit (ODA) der EU von 2011 bis 2021. Statista. https://de.statista.com/statistik/daten/studie/1353234/umfrage/ausgaben-fuer-die-oeffentliche-entwicklungszusammenarbeit-eu/#statisticContainer