Die Welt altert – rasant. Bis 2050 werden laut Prognosen der Vereinten Nationen rund zwei Milliarden Menschen weltweit 60 Jahre oder älter sein (1). Gleichzeitig wachsen die Städte weiter. Diese parallelen Megatrends fordern ein radikales Umdenken in der Stadtplanung.
Das von der Word Health Organisation (WHO) initiierte „Global Network for Age-Friendly Cities and Communities“ (seit 2010) setzt genau hier an: Städte weltweit zu Orten machen, die ältere Menschen ein aktives, sicheres und gesundes Leben ermöglichen. (2)
Doch was heißt das konkret?
Warum „age-friendly“ mehr sein muss als Rampen und Sitzbänke
Zunächst ein Blick auf den Begriff selbst: „Age-friendly“ wird oft zu eng gefasst. Viele Kommunen setzten auf Barrierefreiheit – etwa durch Aufzüge, Leitsysteme oder Sitzgelegenheiten. Diese Maßnahmen sind wichtig, greifen aber zu kurz.
Wirklich altersfreundliche Städte müssen auch ermöglichen:
- soziale Teilhabe und Begegnung im Stadtviertel
- gerechte Zugänge zu Kultur, Bildung und Mobilität
- Respekt, Sichtbarkeit und Mitbestimmung älterer Menschen (3)
Viele Programme konzentrieren sich auf bauliche Maßnahmen, während soziale Faktoren wie Einsamkeit, Altersdiskriminierung oder digitale Ausgrenzung in vielen kommunalen Strategien noch wenig berücksichtigt werden. Dabei sind sie entscheidend für ein gutes Leben im Alter.
Was es braucht: Kontext, Beteiligung und Vielfalt
Unter anderem können drei Kritikpunkte am heutigen Umgang mit dem Thema benannt werden:
- Zu viel Technik, zu wenig Teilhabe – Der Fokus liegt häufig auf baulichen Lösungen, nicht auf sozialen Beziehungen und Selbstverwirklichung
- Einheitsmodelle statt lokaler Lösungen – Internationale Leitfäden müssen an lokale Bedürfnisse und Kulturen angepasst werden
- Fehlende Beteiligung – Gerade ältere Menschen mit wenig Ressourcen werden in Entscheidungen oft nicht einbezogen.
Altersfreundlichkeit darf daher nicht als Checkliste verstanden werden – sondern als dynamischer, partizipativer Entwicklungsprozess und sollte aus einer interdisziplinären Perspektive gedacht werden: Stadtplanung, Sozialpolitik, Pflege und Bildung sind wesentliche Aspekte für einen ganzheitlichen Ansatz.
Oft entscheiden Fachleute oder Verwaltung über „altersfreundliche“ Maßnahmen – ohne echte Beteiligung älterer Menschen. Besonders Menschen mit wenig Einkommen, Migrationshintergrund oder gesundheitlichen Einschränkungen werden kaum eingebunden. (4)
Altersfreundlich heißt: nicht nur für „Alte“
Ein zukunftsfähiges Verständnis von Altersfreundlichkeit denkt alle Lebensphasen mit. Warum? Weil Alter kein abgeschlossener Zustand ist, sondern ein Prozess über den gesamten Lebensverlauf hinweg.
Statt also nur an „Senior*innenfreundlichkeit“ zu denken, fordern viele Wissenschaftler*innen ein Konzept der „All-Age-Friendly Cities“ – also Städte, die:
- Generationsübergreifende Räume schaffen
- Altersdiverse Mitgestaltung ermöglicht
- Lebenslauf-orientierte Perspektiven in Politik und Planung integriert.
Kritisch wird vor allem betrachtet, dass viele „age-friendly“-Strategien zu sehr auf spätere Lebensjahre fixiert sind – und Konzepte für Städte stattdessen Wandel, Vielfalt und Übergänge im Lebenslauf stärker mitberücksichtigen sollten. (4)
Auch UNICEF und die Child-Friendly Cities Initiative betont: Städte, die kinderfreundlich sind, sind oft auch altersfreundlich – wenn man sie inklusiv und intergenerationell denkt. Indem Städte partizipative Strukturen, sichere öffentliche Räume und leistbaren Zugang zu Infrastruktur, Bildung und Kultur etabliert, werden genau die Elemente betont, die auch für eine altersfreundliche Stadt zentral sind. (5)
Eine moderne Stadtpolitik muss also Kinder, Jugendliche, Erwachsene und Senior*innen gemeinsam denken.
Fazit: Zukunft beginnt lokal – und für alle Generationen
Altersfreundliche Städte sind kein Nischenprojekt für Senior*innen. Sie sind ein Gradmesser für soziale Gerechtigkeit, Resilienz und Gemeinsinn. Sie zeigen, wie wir gemeinsam älter werden wollen – in Nachbarschaften, die sich kümmern. In Städten, die zuhören. Und in Planungen, die alle Generationen mitdenkt.
Quellen:
- WHO (2024): Ageing and health. Online verfügbar unter: https://www.who.int/news-room/fact-sheets/detail/ageing-and-health [Zuletzt geprüft am: 18.06.2025]
- WHO: About the Global Network for Age-friendly Cities and Communities. Online verfügbar unter: https://extranet.who.int/agefriendlyworld/who-network/ [Zuletzt geprüft am: 18.06.2025]
- WHO (2007): Global Age-friendly Cities: A Guide.
- Buffel, T./ Handler, S. / Phillipson, C. (Hrsg.) (2019): Age-Friendly Cities and Communities: A Global Perspective. Policy Press.
- UNICEF (2017): Child Friendly Cities and Communities. Handbook.