Regionale Lebensmittel haben in den letzten Jahren einen bemerkenswerten Imagewandel erlebt. Sie gelten nicht mehr nur als frische Ware vom Bauernhof, sondern zunehmend als Symbol ökologischen Bewusstseins und nachhaltigen Konsums. In vielen Köpfen steht „regional“ für Umweltfreundlichkeit, Unterstützung der lokalen Wirtschaft und transparente Lieferketten.
Diese Assoziationen jedoch beruhen auf einem verkürzten Verständnis. Studien zeigen, dass der Beitrag des Transports zur gesamten CO₂-Bilanz von Lebensmitteln gering ist – im Schnitt nur 5 bis 6 %(1). Die wesentlich größeren Emissionen entstehen bei der Produktion selbst, etwa durch energieintensive Gewächshäuser oder Massentierhaltung. Ein regionales Produkt, das unter hohen Emissionsbedingungen erzeugt wird, kann daher ökologisch schlechter abschneiden als ein importiertes.
Der Begriff „regional“ selbst ist erstaunlich dehnbar. In Europa wird teils ein Radius von 20 bis 100 Kilometern angesetzt, während in den USA bis zu 400 Kilometer noch als regional gelten(2). Diese Uneinheitlichkeit macht den Begriff anfällig für Marketingstrategien, die „Nähe“ als Verkaufsargument nutzen, ohne eine objektiv bessere Ökobilanz zu garantieren. Viele Verbraucher verlassen sich auf Herkunftsetiketten, die in Wirklichkeit kaum reguliert sind.
Ein weiteres Problem liegt in der psychologischen Wirkung regionaler Produkte. Untersuchungen zeigen, dass viele Konsumenten sich beim Kauf solcher Produkte moralisch besser fühlen(3). Diese emotionale Komponente – Vertrauen, Heimatgefühl, Authentizität – beeinflusst das Verhalten stärker als Fakten über Umweltwirkungen oder soziale Produktionsbedingungen. Nachhaltigkeit wird damit zur Gefühlssache und verliert ihren analytischen Kern.
Wenn regionale Produkte einen wirklichen Beitrag zur Nachhaltigkeit leisten sollen, müssen sie mehr als nur geografisch nah sein. Saisonale Verfügbarkeit, umweltfreundliche Produktionsmethoden, faire Arbeitsbedingungen und transparente Kennzeichnung sind unverzichtbare Kriterien. Der Begriff „regional“ sollte nicht als Freifahrtschein für gutes Gewissen dienen, sondern als Verpflichtung zur ökologischen und sozialen Verantwortung verstanden werden.
References
- Stein, A. J., & Santini, F. (2021). The sustainability of “local” food: a review for policy-makers. Review of Agricultural, Food and Environmental Studies, 103, 77–89. https://doi.org/10.1007/s41130-021-00148-w
- Haid, M., Albrecht, J. N., Tangl, P., & Plaikner, A. (2024). Regional Products and Sustainability. Sustainability, 16(628). https://doi.org/10.3390/su16020628
- Haid et al., ibid., qualitative Interviewdaten zu Konsumentenverhalten.