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Mindesthaltbarkeitsdatum: Verfallsdatum für den Planeten?

Ein kurzer Blick auf das Etikett, ein skeptischer Blick auf die Uhr – und schon landet die Joghurtpackung im Müll. Das Mindesthaltbarkeitsdatum (MHD) ist für viele Verbraucher:innen das ultimative Urteil über den Zustand eines Lebensmittels. Doch was eigentlich als Hinweis auf Qualität gedacht ist, hat sich zur Müllfalle entwickelt – mit fatalen Folgen für Umwelt, Klima und Ressourcen.

Allein in Österreich landen jährlich rund 760.000 Tonnen genießbare Lebensmittel im Müll – 521.000 Tonnen davon in privaten Haushalten (1). Eine der Hauptursachen: Missverständnisse rund um das MHD (2). Viele Konsument:innen interpretieren das Datum fälschlich als striktes Ablaufdatum und werfen Produkte weg, die noch völlig genießbar wären.

Was sagt das Datum wirklich?

Das Mindesthaltbarkeitsdatum gibt an, bis wann ein Lebensmittel bei richtiger Lagerung seine spezifischen Eigenschaften – etwa Geschmack, Geruch oder Konsistenz – garantiert behält. Es ist kein Verfallsdatum. Produkte wie Nudeln, Reis, Schokolade oder Joghurts sind meist noch Wochen oder sogar Monate nach dem MHD bedenkenlos essbar, wenn sie keine Auffälligkeiten in Geruch, Geschmack oder Aussehen aufweisen (3). Trotzdem werfen viele Menschen solche Produkte vorschnell weg – aus Unsicherheit oder Gewohnheit.

Der hohe Preis der Wegwerfgesellschaft

Die Folgen der übervorsichtigen Wegwerfmentalität sind dramatisch. Weltweit verursacht Lebensmittelverschwendung etwa 8–10 % der globalen Treibhausgasemissionen – mehr als der gesamte Flugverkehr (4). Jeder weggeworfene Apfel, jedes verschmähte Brot bedeutet nicht nur verlorenes Essen, sondern auch verschwendetes Wasser, Energie, Transportaufwand und Verpackungsmaterial. Das MHD wird somit zum stillen Klimakiller.

Reformen in Sicht?

Ein wesentlicher Hebel zur Reduktion von Lebensmittelverschwendung liegt im besseren Verständnis von Haltbarkeitskennzeichnungen. Laut Europäischer Kommission sind rund 10 % der vermeidbaren Lebensmittelabfälle in der EU darauf zurückzuführen, dass Verbraucher:innen die Unterschiede zwischen dem Mindesthaltbarkeitsdatum und dem Verbrauchsdatum nicht richtig einordnen können (5). Um hier Aufklärung zu schaffen, hat Dänische Unternehmen „Too Good To Go“ die „Oft länger gut“ Kampagne ins Leben gerufen, die Menschen ermutigen soll, auf ihre Sinne zu vertrauen – Sehen, Riechen, Schmecken – anstatt Lebensmittel vorschnell zu entsorgen (6).

Auch Handelsunternehmen zeigen Engagement im Kampf gegen Lebensmittelverschwendung. Die österreichische Supermarktkette SPAR setzt unter dem Motto „Lebensmittel sind kostbar bei SPAR“ gezielt Maßnahmen zur Lebensmittelverwertung um. Produkte, die kurz vor dem Ablauf des Mindesthaltbarkeitsdatums stehen oder wie Schwarzbrot vom Vortag qualitativ einwandfrei, aber weniger nachgefragt sind, werden vergünstigt verkauft. Damit wird nicht nur die Geldbörse der Kund:innen entlastet, sondern auch die Umwelt geschont – schließlich bedeutet jedes gerettete Lebensmittel weniger verschwendete Ressourcen wie Wasser oder CO₂-Emissionen. (7).

Was wir tun können

Der Wandel beginnt aber auch im Alltag. Eine kritische Auseinandersetzung mit dem MHD ist der erste Schritt: Verlassen wir uns öfter auf unsere Sinne – sehen, riechen, schmecken –, statt auf ein aufgedrucktes Datum. Apps wie „Too Good To Go“ oder Initiativen wie „Foodsharing“ bieten zusätzlich Wege, Lebensmittel zu retten und nachhaltiger zu konsumieren.

Ein bewusster Umgang mit Nahrung ist nicht nur ein Akt des Respekts gegenüber dem Produkt selbst, sondern auch gegenüber den Menschen, die es herstellen – und letztlich gegenüber unserem Planeten.

Fazit

Das Mindesthaltbarkeitsdatum ist kein Verfallsdatum – weder für Joghurt noch für unsere Erde. Es liegt an uns, den Unterschied zu erkennen und entsprechend zu handeln. Wer das MHD hinterfragt, spart nicht nur Geld, sondern trägt auch aktiv zum Klimaschutz bei. Denn jedes gerettete Lebensmittel ist ein kleiner Sieg gegen die große Verschwendung.

 

Literaturverzeichnis

(1) Tipps: „Frisch verfault“ – Lebensmittelverschwendung in Österreich. (2022, April 24). WWF Österreich. https://www.wwf.at/artikel/frisch-verfault/

(2) Mythos 5: Lebensmittel sind verdorben, wenn das Mindesthaltbarkeitsdatum überschritten ist. (2023). Bundesministerium Land- und Forstwirtschaft, Klima- und Umweltschutz, Regionen und Wasserwirtschaft. https://www.bmluk.gv.at/themen/lebensmittel/lebensmittelverschwendung/mythos-5.html

(3) Lebensmittelverschwendung | Ursachen & Fakten. (2024). Welthungerhilfe. https://www.welthungerhilfe.de/lebensmittelverschwendung

(4) Food Loss & Waste Reduction Report. (2024). WWF. https://files.worldwildlife.org/wwfcmsprod/files/Publication/file/8iyv73njfa_195lhxe0on_2024_FLW_Factsheet_240523.1.pdf

(5) Weniger Lebensmittelverschwendung: Welche Maßnahmen ergreift die EU? | Themen | Europäisches Parlament. (2024, 4. März). Europäisches Parlament. https://www.europarl.europa.eu/topics/de/article/20240318STO19401/weniger-lebensmittelverschwendung-welche-massnahmen-ergreift-die-eu

(6) Initiative zur Datumskennzeichnung. Too Good To Go. https://www.toogoodtogo.com/de-at/look-smell-taste

(7) Lebensmittel sind kostbar. (2023). Spar. https://www.spar.at/nachhaltigkeit/gesellschaft/lebensmittel-sind-kostbar