Ein Besuch auf dem Weltacker in Innsbruck
Was ein Weltacker ist, ist schnell erklärt: unsere landwirtschaftliche Nutzfläche ist begrenzt und umgerechnet würden einem Menschen derzeit ca. 2000 m2 Ackerfläche zur Verfügung stehen, auf der alles angebaut werden sollte, was man in einem Jahr verbraucht bzw. täglich benötigt. Angefangen bei Nahrung wie Getreide, Obst und Gemüse über Futtermittel für die Viehhaltung bis hin zu Fasern für Kleidung und bspw. Raps für Energiegewinnung.
Diese 2000 m2 hat die Feld:schafft (die Genossenschaft für die Nutzung von Ungenutztem) in Innsbruck tatsächlich umgesetzt und im wahrsten Sinne des Wortes anschaulich begreiflich gemacht. Und so findet sich zwischen Fußballplatz, Wohngebiet und Schnellstraße ein Feld, auf dem die Buschbohne zwischen Mais hochrankt und der Ampfer versucht, den Mitbewohner:innen den Gar aus zu machen. Der Weltacker versteht sich als Lern- und Gemeinschaftsort, wo Schüler:innen am Vormittag einen Workshop besuchen, Hobbygärtner:innen am Ehrenamtsnachmittag die Sense schwingen und Spaziergänger:innen sich im Vorbeigehen eine oder zwei Infos mitnehmen können.
Während der Weltacker in Innsbruck auf seinen 2000 m2 Fläche im Verhältnis anbaut, was tatsächlich auf den globalen Feldern gerade wächst, gibt es auch andere Varianten sich dem Thema landwirtschaftliche Nutzfläche zu nähren: so hat etwa das „WeltTellerFeld“ in Wien seinen Fokus gänzlich auf den Faktor Ernährung gelegt und der gerade entstandene Steireracker in Graz versucht besonders die Regionalität von Nutzpflanzen und Landwirtschaft hervorzuheben (1).
In Innsbruck versucht man sich an dem „Ideal“ der errechneten 2000 m2 zu orientieren, in Wien geht man dem Prinzip nach, die tatsächlich verbrauchte Fläche darzustellen und hier sieht die Realität anders aus: aktuell verbraucht ein Mensch aus Europa durchschnittlich ca. 3000 m2 Ackerfläche wobei 500 m2 davon quasi „importiert“ werden (pro Person innerhalb der EU und nach Abzug aller Exporte aus der EU). Im Vergleich dazu stehen einem Menschen in Indien aktuell nur etwa 1.200 m2, in China nur ungefähr 800 m2, zur Verfügung. Zusätzlich zu dieser ungerechten „Übernutzung“ in manchen Teilen der Welt, wird die weltweit nutzbare Ackerfläche noch weiter schrumpfen bzw. noch mehr Menschen versorgen müssen – zum einen aufgrund von Bevölkerungswachstum zum anderen aufgrund von Umweltfaktoren wie etwa Desertifizierung (Wüstenbildung), Bodenerosion oder Versiegelung durch Bebauung, die aktuell genutztes Ackerland unfruchtbar machen und die globale Schieflage weiter verschärfen werden (2).
Sieht man sich genauer an, was auf den jeweiligen Schauäckern angebaut wird, wird schnell klar: hier könnte man noch an einigen Schrauben drehen, um eine nachhaltigere Nutzung zu schaffen. Gerade im Bereich Ernährung ist noch vieles möglich: so wird etwa die Hälfte der Fläche des WeltTellerFeldes in Wien „importiert“ also nicht vor Ort in Europa angebaut und ca. zwei Drittel der weltweiten Fläche dem Gewinn von Futtermittel für die Tierhaltung gewidmet.
Hülsenfrüchte fallen hier ebenfalls ins Gewicht: auf 10% der Ackerfläche des Weltackers in Innsbruck werden verschiedenste Hülsenfrüchte angebaut – davon sind ca. 60% als Tierfutter angepflanzt. Besonders Soja wird zu 80-90% als Futtermittel genutzt und zum Großteil beispielsweise aus Brasilien oder Argentinien importiert, wo zusätzlich ein hoher Entwaldungsdruck herrscht bzw. entsteht. Dabei haben Hülsenfrüchte selbst so ein großes Potential zum einen regional angebaut werden zu können, zum anderen als pflanzliche Proteinquelle tierische Eiweiße ersetzen zu können und somit große Flächen Ackerland, das aktuell für Tierfutter genutzt wird, freizumachen (4).
Wie unsere Ernährung und unser Konsumverhalten aussehen müssten, um mit der uns zur Verfügung stehenden Anbaufläche auskommen zu können, welche Anbaumethoden helfen könnten, Ackerland sinnvoll zu nutzen und klimafit zu halten, wie wir Flächen für die Allgemeinheit erhalten und nutzbar machen können – diesen und noch weiteren Fragen gehen Projekte wie der Weltacker Innsbruck und der Steireracker in Graz nach und laden zum Mitmachen und Mitdenken ein. Ein Besuch lohnt sich allemal.
Quellen:
- Nachhaltig in Graz: Steireracker: https://nachhaltig-in-graz.at/steireracker/
- Welttellerfeld Wien: https://welttellerfeld.at/
- Broschüre Weltacker (2024): https://feldschafft.at/wp-content/uploads/2024/09/BROSCHURE_2024_komprimiert1.pdf
- WWF: So schmeckt Zukunft Report (2021): https://www.wwf.de/fileadmin/fm-wwf/Publikationen-PDF/Landwirtschaft/kulinarische-kompass-klima.pdf 21ff.