Der weltweite Fleischkonsum nimmt rasant zu – aktuell werden jährlich ca. 350 Mio. Tonnen Fleisch gegessen. Prognosen zufolge wird diese Zahl bis zum Jahr 2050 auf etwa 550 Mio. Tonnen anwachsen (1). Neben den ethischen Bedenken, dass Milliarden fühlender Lebewesen unter extremen Umständen leben, hat diese massive Fleischproduktion auch Auswirkungen auf das Klima, die Biodiversität, die Gesundheit, Gesundheitssysteme und so viel mehr. Aber was, wenn es eine Möglichkeit gäbe künstliches Fleisch zu produzieren, das genauso aussieht, riecht und schmeckt wie echtes Fleisch, ohne aber, dass dabei Milliarden von Tieren leiden müssen? (2)
Der Herstellungsprozess
Für die Herstellung von Laborfleisch, auch kultiviertes Fleisch, In-vitro-Fleisch oder Clean Meat genannt, braucht man zwei wichtige Hauptzutaten: Muskelstammzellen und ein Wachstumsserum. Die Muskelstammzellen werden von lebenden Tieren entnommen. Diese Stammzellenentnahme ist mit einer Blutabnahme vergleichbar, es muss also kein Tier dafür sterben. Im Labor werden diese Zellen dann mit einer Nährlösung angereichert. Um sie zu vermehren, also zu Laborfleisch wachsen zu lassen, wird zusätzlich ein Wachstumsserum benötigt. Dabei handelt es sich bei den meisten Technologien um Blut, das Kälber-Föten entnommen wird. Bei dieser Entnahme stirbt sowohl der Fötus als auch das Muttertier. Einige Konzerne forschen jedoch bereits an Methoden, die ohne dieses fötale Kälberserum auskommen und bspw. auf pflanzliche Quellen zurückgreifen. Sobald ausreichend Zellen gewachsen sind, wird das Endprodukt mit einem Fleischwolf oder einem 3D-Drucker geformt, um als Endprodukt bspw. Burger-Pattys oder Nuggets zu erhalten. Die Konsistenz dieses Endprodukts ist einem Steak sehr ähnlich und faktisch zu 100% echtes Fleisch. Doch kann Laborfleisch, in Anbetracht der Nutzung des Kälberserums, wirklich die Zukunft sein? Nachdem Italien als erstes Land der EU im Juli 2024 ein Verbot von Lebensmitteln aus Zellkulturen veröffentlichte, wurde eine große Debatte in ganz Europa angestoßen (4).
Gespaltene Meinungen
Wären die Menschen bereit Laborfleisch zu essen? Eine aktuelle Umfrage des „Good Food Institute Europe“ vom Februar 2024 zeigt, dass etwa 63% der ÖsterreicherInnen die Zulassung von kultiviertem Fleisch befürworten. Ganze 59% sagen, dass wir heute zu viele tierische Produkte essen und 42% würden kultiviertes Fleisch zumindest einmal probieren (3). Diese Zahlen zeigen, dass ein Großteil der Menschen Laborfleisch als vertretbare Alternative sieht. Die Züchtung von Fleisch im Labor ist wesentlich ressourcenschonender als Fleisch aus konventioneller Produktion. Durch eine Reduktion der Rinderhaltung könnten die Treibhausgasemissionen massiv eingedämmt werden und es würde auch weniger Landmasse benötigt werden. In Anbetracht der gesundheitlichen Aspekte des Konsums von Laborfleisch kann man sagen, dass Laborfleisch unter kontrollierten Bedingungen hergestellt wird, der Einsatz von Antibiotika ist überflüssig und es entstehen keine Stresshormone wie bspw. bei der Schlachtung von Tieren (6).
Doch es gibt auch laute Stimmen auf der anderen Seite. Die österreichische Landwirtschaftskammer bspw. führte letztes Jahr eine Petition mit dem Titel „Laborfleisch? Nein danke!“ durch und forderte ein Verbot der Zulassung von Laborfleisch in Österreich und Europa. Ihre Hauptargumente sind, dass der Energieverbrauch der speziellen Inkubatoren, in denen das Laborfleisch heranwächst, höher sein könnte als jener der konventionellen Fleischproduktion. Außerdem gibt es noch keine Studien zu den gesundheitlichen Langzeitfolgen des Konsums von Laborfleisch. Der größte Kritikpunkt ist, dass die Produktion von Laborfleisch in den Händen von wenigen großen Konzernen liegt und die heimische Kleinlandwirtschaft darunter leiden könnte (5).
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Ansätze von Laborfleisch sowohl positive als auch negative Aspekte mit sich bringen. In der aktuellen Debatte in Österreich stehen sich zwei Seiten mit völlig unterschiedlichen Interessen gegenüber: Wenige innovative Großunternehmen, die „künstliches“ Laborfleisch produzieren und viele traditionelle bäuerliche Familienbetriebe, die „natürliches“ Fleisch produzieren. Um über dieses umstrittene Thema faktenbasiert diskutieren zu können, ist es wichtig zu versuchen von subjektiven Meinungen Abstand zu nehmen und die Debatte objektiv zu führen.
Fazit
Unsere Recherchen zeigen, dass Laborfleisch schon jetzt, bevor es überhaupt selbst in der Pfanne brutzelt, weltweit die Gemüter erhitzt. Fakt ist jedoch, dass sich die Klimabilanz von kultiviertem Fleisch derzeit noch nicht genau abschätzen lässt und auch die Frage, ob der Konsum von Laborfleisch, in Anbetracht der Nutzung des fötalen Kälberserums, ethisch vertretbar ist, bleibt offen und muss jede und jeder für sich selbst beantworten (1). Was ist deine Meinung? Siehst du Laborfleisch als eine vertretbare Alternative zu konventionellem Fleisch?
Literaturverzeichnis
- https://www.derstandard.at/story/3000000243873/laborfleisch-verbot-forschende-kritisieren-vorstoss-der-landwirtschaftskammer?ref=niewidget
- https://www.vier-pfoten.at/kampagnen-themen/themen/ernaehrung/kultiviertes-fleisch-und-lebensmittelinnovation/was-ist-kultiviertes-fleisch
- https://gfieurope.org/blog/survey-germans-and-austrians-say-consumers-should-have-freedom-to-choose-cultivated-meat/
- https://help.orf.at/stories/3224066/
- https://stmk.lko.at/laborfleisch-nein-danke+2400+4020973
- https://fleischlabor.de/2019/07/19/die-vor-und-nachteile-von-laborfleisch/