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„The Breadbasket of Europe“, oder wie der russische Angriffskrieg auf die Ukraine weltweit die Getreidepreise verändert

Nachdem in diesem Blog bereits verschiedenste Themen über Getreide, Obst oder Gemüse behandelt worden sind, will ich heute ein Thema anschneiden, das sich im Feber zum dritten Mal jährt: den Krieg in der Ukraine. Im Angesicht des Krieges wurde der Weltmarkt 2022 von einer sehr starken Getreidepreissteigerung überrascht. Diese Preisschwankungen haben immer noch große Auswirkungen auf viele Regionen unserer Welt, nicht nur für die Ukraine selbst.

Die Ukraine, die aufgrund ihrer äußerst fruchtbaren Böden oft als “Brotkorb Europas” bezeichnet wird, war im Jahr 2021 – also vor der russischen Vollinvasion – mit 10% Anteil an der weltweiten Produktion der siebtgrößte Produzent von Weizen. Nur einzelne Länder wie die USA, China, Indien, Russland und Australien produzierten mehr, während der gemeinsame Wirtschaftsraum der EU an der Spitze stand.. In der Produktion von Sonnenblumenkernen war die Ukraine mit 42% weltweit führend, bei der Maisproduktion belegte sie mit 16% den zweiten Platz. (1)

Hierbei stellt sich nun die Frage, in welche Weltregionen das Getreide exportiert wird. Der Großteil, knapp 65% des Weizens und 51% des Mais, wird in sogenannte „developing countries“ exportiert, genauer nach Äthiopien, Afghanistan, Dschibuti, Jemen, Kenia, Somalia und Sudan. Zusätzlich bezogen Organisationen wie das United Nations World Food Programme (FAO) 80% des Getreides, welches die Organisation in ihrem Bestand hatte, über die Schwarzmeerhäfen der Ukraine. (2) Der drastische Anstieg der Getreidepreise 2022 am Weltmarkt, der vor allem durch die russische Invasion verursacht wurde, verschärft die wirtschaftliche Situation, jener Länder, die ohnehin stark von Lebensmittelimporten abhängig waren, noch mehr als die der restlichen Welt. Daher wurde nach einer politischen Lösung für dieses Problem gesucht. (3)

Die geografische Lage des Hauptexporthafens der Ukraine liegt am Schwarzen Meer, welches ebenfalls vom Kriegsgeschehen betroffen ist.  Dadurch, dass Weizen aus der Ukraine zu 90% über Häfen am Schwarzen Meer exportiert wurden, musste man Lösungen auf politischer Ebene suchen, um den Export zu ermöglichen. Im Mai 2022 wurden sogenannte Solidaritätskorridore eingerichtet, welche über Landweg durch EU-Länder führen und so als Exportroute für Getreide genutzt wurden. Dies führte direkt zu einer Preissenkung des internationalen Weizenpreises. Nichtsdestotrotz brach die Produktion in der Ukraine selbst – vor allem infolge des Kriegs – um 29% ein, unter anderem da die Gesamtfläche der für den Getreideanbau genutzten Felder von der kumulierten Fläche Österreichs und Tschechiens (ca. 160.000 m2) um die Fläche Belgiens (30.000 m2) geschrumpft ist. (4)

(5) Abb.1.: Food and Agriculture Organization of the United Nations

Um den von ukrainischen Exporten abhängigen Ländern die Möglichkeit des weiteren Imports von ukrainischem Getreide zu ermöglichen, wurde von Seiten der Ukraine, Russlands und der Türkei die sogenannte „Black Sea Grain Initiative“ verhandelt. Diese ermöglichte die Ausfuhr von Getreide aus der Ukraine über das ebenfalls vom Krieg betroffene Schwarze Meer. Auf politischer Ebene war es ein vorsichtiger Erfolg, der zeigte, dass es möglich ist, auch im Angesicht eines Krieges eine politische Lösung für ein weltweites Problem zu finden. Durch die „Black Sea Grain Initiative“ sanken wie erhofft die Preise, nachdem die Solidaritätskorridore schon zuvor zu einer ersten Reduzierung geführt hatten. Es konnte annähernd ein Preisniveau wie 2021 erreicht werden. Am 17. Juli 2023 lief der Vertrag jedoch aus und wurde nicht erneuert. Die Preise waren erneut von der Möglichkeit des Exports und den Solidaritätskorridoren abhängig und stiegen erneut an. (6)

Der Krieg in der Ukraine ist jedoch nicht allein dafür verantwortlich, dass die Getreidepreise am Weltmarkt ansteigen. Bereits seit 2020 belasten Dürren und Ernteausfälle in aller Welt die weltweite Ernährungssicherheit. Obwohl Umwelteinflüsse kein neues Phänomen darstellen, welches auf Lebensmittelversorgung Einfluss nimmt, verschärfte sich die Situation durch die Gefahr des Wegfalls des Getreides aus der Ukraine enorm. Im Global Food Report on Food Crises des Food Security Information Networks (FSIN) spricht man von 281 Millionen Menschen in 59 Ländern oder Territorien, die unter akuter Ernährungsunsicherheit leiden. (7) 

In diesem kurzen Abriss kann keineswegs die Komplexität von Geopolitik und Weltwirtschaft erklärt werden. Doch der Krieg in der Ukraine zeigt, dass durch die globale Verwobenheit der Nahrungsmittel Ex- und Importe die Situationen und Krisen kaum nur auf lokaler Ebene zu betrachten sind, sondern auch weltweite Auswirkungen haben.

 

  1. https://www.eurozine.com/ukraine-still-europes-breadbasket/; https://www.csis.org/analysis/setting-record-straight-ukraines-grain-exports
  2. https://www.ica.org/app/uploads/2024/03/List-of-Developing-Countries-2024_Updated.pdf¸ https://www.consilium.europa.eu/en/infographics/ukrainian-grain-exports-explained/
  3. https://www.consilium.europa.eu/en/infographics/ukrainian-grain-exports-explained/
  4. https://www.consilium.europa.eu/en/infographics/ukrainian-grain-exports-explained/#0;https://info.bml.gv.at/themen/landwirtschaft/ukraine-russland/solidaritaetskorridore-in-die-ukraine-fuer-den-transport-von-agrar-und-hilfsguetern.html; https://www.consilium.europa.eu/en/infographics/how-the-russian-invasion-of-ukraine-has-further-aggravated-the-global-food-crisis/; https://ec.europa.eu/eurostat/web/products-eurostat-news/w/ddn-20231108-2
  5. Quelle: Food and Agriculture Organization of the United Nations
  6. https://www.consilium.europa.eu/en/infographics/how-the-russian-invasion-of-ukraine-has-further-aggravated-the-global-food-crisis/#0; https://www.un.org/en/black-sea-grain-initiative
  7. https://www.fsinplatform.org/sites/default/files/resources/files/GRFC2024-full.pdf – The Global Food Report, visited 8.11.2024, 10:30

Titelbild: Kai Pilger (https://pixabay.com/de/users/kaipilger-5841200/)