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Alm mit Milchkühen in den österreichischen Alpen, Foto: A. Fras

Bewirtschaftete Almen: Sind sie Natur- oder Kulturlandschaft?

Die grünen Almen vor markanten Bergen mit grasenden Kühen sind ein Sinnbild Österreichs und werden dementsprechend vom Tourismus genutzt. Doch wie hat sich der Lebensraum Alm durch Tier und Mensch und die damit verbundene Milchwirtschaft verändert? Das Thema ist ein heikles und wird von Vertreter*innen des Umweltschutzes anders wahrgenommen als von Vertreter*innen der Landwirtschaft.

Ein für Österreich typisches Bild: grüne Wiesen, Berge, Kühe, usw., Foto: A. Fras
Ein für Österreich typisches Bild: grüne Wiesen, Berge, Kühe, usw., Foto: A. Fras

Die österreichischen Alpen als Natur- und Kulturraum

Einen Großteil der österreichischen Landesfläche machen die Alpen aus, die Heimat zahlreicher spezialisierter Pflanzen- und Tierarten sind. Gleichzeitig sind sie „das am intensivsten genutzte Gebirge der Welt. Die enge Verzahnung von Kultur- und Naturlandschaft hat zu einer hohen biologischen Vielfalt beigetragen“[1], so der Naturschutzbund Österreich. Diese Besiedelung der Alpen reicht weit zurück und durch Rodungen wurde Platz für Siedlungen, Weiden oder landwirtschaftliche Flächen geschaffen. Vor allem in alpinen Gunstlagen entstanden Almen und durch Rodungen drückten Bergbauern die Baumgrenze nach unten. Dadurch entwickelte sich eine artenreiche Kulturlandschaft, in der sich durch stetige Beweidung lichtliebende Pflanzen etablierten.[2]

Alm mit Milchkühen in den österreichischen Alpen, Foto: A. Fras
Alm mit Milchkühen in den österreichischen Alpen, Foto: A. Fras

Weideflächen, Tierhaltung und Lebensmittelproduktion

Die Almwirtschaft kann sehr viel zum Schutz der Bergregionen beitragen und hat einen großen sozialen wie ökologischen Wert, jedoch nur, wenn die Almen traditionell und naturnah bewirtschaftet werden. Werden die Flächen jedoch intensiv genutzt – z. B. aufgrund von Überdüngung (durch das Ausbringen von Gülle oder Jauche), Geländekorrekturen oder Straßenbauten – geraten artenreiche Magerwiesen, die eine große Biodiversität aufweisen unter verstärkten Nutzungsdruck.[3] Die heutige Almwirtschaft hat sich im Laufe der Zeit verändert: Während früher öfters Hirt*innen mit den Tieren zu den Weiden zogen und diese lenkten, sind die Tiere heute zumeist allein unterwegs. Das wiederum hat einen Einfluss auf das Ökosystem Alm: Tiere fressen Pflanzen auch in sensiblen Bereichen, wo seltene Pflanzen wachsen, andere Almbereiche werden zu wenig beweidet und verbuschen. Trittempfindliche Flächen sind von Erosion betroffen, wenn zu schwere Tiere in diese Bereiche kommen und günstig gelegene Almbereiche werden aus wirtschaftlichen Gründen intensiver und mit größeren und schwereren Rinderrassen genutzt.[4] Es ist nur nachvollziehbar, dass für die Bäuerinnen und Bauern der wirtschaftliche Ertrag von Bedeutung ist. Da ihre Ressourcen durch das aktuelle Fördersystem – das vor allem Gelder auf Basis der bewirtschafteten Fläche vergibt – beschränkt sind, ist für viele die Almbewirtschaftung nicht mehr rentabel. Oftmals wird beim Almpersonal gespart, weshalb kaum noch ausgebildete Hirt*innen angestellt werden, sondern häufig bereits vorhandenes Almpersonal deren Tätigkeiten noch nebenbei übernehmen muss. Weiters kostet die anspruchsvolle und oft in unwegsamem Gelände zu erledigende Arbeit viele zeitliche und finanzielle Ressourcen. Umweltschutzorganisationen fordern daher eine stärkere Orientierung der bestehenden Fördergelder an Biodiversitäts- und Nachhaltigkeitskriterien. Neben dem Nutzen für das Ökosystem hat auch die Almwirtschaft mit der Herstellung von traditionellen und hochwertigen Milchprodukten einen hohen Stellenwert. Das Käsen auf Österreichs Almen – wo traditionell Hartkäse hergestellt wird – ist eine Form der Haltbarmachung von Milch und je nach Region haben sich eigenen Rezepte und Sorten herausgebildet. Die Herstellung, wie sie heute auf Almen praktiziert wird, hat sich über die Jahrhunderte kaum verändert und ist an eine geringere Anzahl an Tieren und überschaubare Milchmengen angepasst.

 

Blick in einen Stall auf einer Alm, Foto: A. Fras
Blick in einen Stall auf einer Alm, Foto: A. Fras

 

Wohin führt der Weg?

Im gesamten Alpenraum gibt es Initiativen, Vereine und Interessensgemeinschaften zum Thema Alm. Nicht alle verfolgen dieselben Interessen, jedoch gibt es immer wieder Projekte, die eine Annäherung von Almwirtschaft und Naturschutz forcieren. Die Almwirtschaft Österreich stellt in ihrer Fachunterlage „Ökosystem Alm, Almwirtschaft und Jagd“ das Projekt „Wir schauen auf unsere Almen“ vor, bei dem die Bewirtschafter*innen für die Artenvielfalt auf ihrer Alm begeistert werden sollen und einerseits Bildungsunterlagen zum Erkennen der Almflora und -fauna bekommen und andererseits eine Einschulung durch Ökolog*innen und Ökologen erhalten.[5] Dies ist zwar eine sinnvolle Initiative, die jedoch auf Freiwilligkeit beruht.

 

Leider haben sich aktuell zwei Fronten mit konträren Interessen gebildet, die durch das zunehmende Auftreten von Wildtieren, wie dem Wolf, noch verschärft werden. Um eine gemeinsame Lösung für eine nachhaltige, umweltverträgliche und naturnahe Almbewirtschaftung zu finden, von der auch die Landwirt*innen leben können, bedarf es einiger Annäherungen. Wie bereits zuvor beschrieben, reichen diese Maßnahmen von der Änderung des Fördersystems, über die Ausbildung und Förderung von Hirtin*innen, um Herdenschutzmaßnahmen umzusetzen, bis hin zur Bewusstseinsbildung für den Kulturraum Alm mit seinen wichtigen Funktionen für Mensch, Tier, Tourismus und Nahrungsmittelproduktion. Almen sind nämlich sowohl Natur- als auch Kulturräume.

 

 

[1] https://naturschutzbund.at/positionen/articles/biodiversitaetspraemie-und-gelenkte-beweidung-fuer-eine-zukunftsfaehige-almwirtschaft.html (Stand: 8.1.24)

[2] Vgl. Schickhofer, Matthias: Schwarzbuch Alpen. Warum wir unsere Berge retten müssen, Brandstätter, Wien 2017, S. 78.

[3] Vgl. ebda, S. 79.

[4] https://naturschutzbund.at/positionen/articles/biodiversitaetspraemie-und-gelenkte-beweidung-fuer-eine-zukunftsfaehige-almwirtschaft.html (Stand: 8.1.24)

[5] https://www.almwirtschaft.com/images/stories/neuigkeiten/2015/fachunterlagen_almwirtschaft/10_Fachunterlage_Oekosystem_Alm_Almwirtschaft_u_Jagd.pdf?type=file (Stand: 8.1.2024)