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Der Speiseölsektor: Wertschöpfungsketten, Lebensmittelsysteme und ihre Auswirkungen

Ein boomender Markt mit wachsender Nachfrage 

Der Speiseölmarkte ist ein bedeutender Teil der globalen Lebensmittelindustrie mit starken Wachstumsprognosen für die kommenden Jahren. Die Food and Agriculture Organization der Vereinten Nationen schätzt, dass die weltweite Nachfrage nach Speiseölen bis 2031 um 33 Millionen Tonnen steigen wird (2). Rund 68 % davon entfallen auf den Bedarf für Ernährungszwecke. Dieses Wachstum wird durch verschiedene Faktoren angetrieben. Die Beliebtheit gesunder, vielseitig einsetzbarer und erschwinglicher Öle, Innovationen großer Unternehmen sowie der steigende Konsum in Schwellenländern spielen hierbei eine zentrale Rolle (1). 

Doch was steckt hinter diesem Boom? Wie werden die Öle produziert, welche Folgen haben ihre Herstellung und was geschieht mit ihnen nach der Nutzung? Um dies zu verstehen, lohnt sich ein Blick auf die Wertschöpfungskette und die damit verbundenen sozialen sowie ökologischen Auswirkungen. 

Von der Ernte bis zur Entsorgung: Die Wertschöpfungskette von Speiseölen 

Bevor Speiseöle in unseren Supermärkten landen, durchlaufen sie eine komplexe Wertschöpfungskette, die aus mehreren Produktionsstufen besteht: von Anbau und Ernte der Ölpflanzen über die Weiterverarbeitung und Ölextraktion zur Distribution und zum Handel bis schließlich hin zum Verbrauch und der Entsorgung. Derzeit endet die Reise der meisten Speiseöle nach ihrem Gebrauch – dabei bergen sich dort ungenutzte Potenziale (2): Gebrauchte Speiseöle lassen sich in neue Produkte umwandeln, was die Nachhaltigkeit verschiedener Sektoren erhöhen könnte. Durch einen zirkulären Ansatz könnten Altspeiseöle als Basis für die Herstellung von Kunststoffen, Asphalt, Reinigungsmitteln oder Schmierstoffen weiterverwendet werden. Dieser innovative Ansatz spart Ressourcen und erweitert die Wertschöpfungskette über die Entsorgung hinaus (2). 

Hinter den Kulissen: Lebensmittelsysteme und ihre Auswirkungen 

Die Produktion von Speiseölen ist mehr als nur ein technischer Prozess – sie ist Teil eines größeren Systems mit tiefgreifenden sozialen und ökologischen Auswirkungen. Dabei gibt es erhebliche Unterschiede zwischen kleinen, lokalen Subsistenzwirtschaften und großflächigen, industriellen Monokulturen (2).  

Lokale Subsistenzsysteme arbeiten in der Regel mit kurzen Wertschöpfungsketten. Für Kokosöl, Olivenöl und Palmöl sind diese Produktionssysteme in manchen Regionen unserer Welt noch üblich. In Griechenland beispielsweise verwendeten im Jahr 2020 knapp 60 % der Bevölkerung Olivenöl, das von ihnen selbst, ihrer Familie oder von Freunden hergestellt wurde (6).  Der Vorteil ist, dass nur geringe ökologische Schäden entstehen.  Der Einsatz von Pestiziden ist minimal, die CO₂-Emissionen sind niedrig, und soziale Vorteile wie Ernährungssicherheit sowie der Erhalt von Landrechten sind meist gewährleistet. Allerdings sind diese Systeme oft Ziel unfairer Praktiken von Großkonzernen (2). Unternehmen nutzen z.B. Wissenslücken von Kleinbauern aus (5), um sie in industrielle Lieferketten zu integrieren. Dies führt zu Abhängigkeiten vom globalen Markt und verstärkt wirtschaftliche Unsicherheiten (4). 

Industrielle, globalisierte Lieferketten hingegen gelten als effizienter und profitabler, doch dies hat seinen Preis. Umwelt und lokale Gemeinschaften tragen die Hauptlast: hohe CO₂-Emissionen, Verlust der Biodiversität, massiver Pestizideinsatz sowie Landenteignungen und Zwangsarbeit sind gängige Praktiken (2). Die Palmölindustrie in Guatemala ist ein Beispiel hierfür. Dort hat die Expansion zu großflächigen Enteignungen der indigenen Bevölkerung geführt. Menschenrechtsverletzungen, der Verlust von Zugang zu grundlegenden Ressourcen wie Wasser und Nahrung sowie soziale Ungleichheiten sind die Folge. Die Profite fließen hingegen an internationale Märkte und die wohlhabende Elite des Landes (3). 

Es lohnt sich, einen genaueren Blick auf die Produkte in unseren Regalen zu werfen – und auf die Geschichten, die sie erzählen. Die Frage, wie nachhaltige Produktionsmethoden und zirkuläre Wirtschaftsansätze im Speiseölsektor integriert werden können, bleibt entscheidend für eine gerechtere und ressourcenschonendere Zukunft.   

 

Quellen: 

(1) Fortune Business Insights. (2024). Cooking oil market size, share & COVID-19 impact analysis, by product type (vegetable oil, palm oil, soybean oil, sunflower oil, and others), distribution channel (supermarkets/hypermarkets, convenience stores, online retail, and others), and region – forecast to 2030. https://www.fortunebusinessinsights.com/cooking-oil-market-106391 [24.11.2024] 

(2) International Union for Conservative of Nature (2024). Exploring the future of vegetable oils, Oil crop implications – Fats, forests, forecasts, and futures. IUCN. S. 36-47. 

(3) Pietilainen, E. P. & Otero, G. (2018). Power and dispossession in the neoliberal food regime: oil palm expansion in Guatemala, The Journal of Peasant Studies, 46(6), S. 1142-1166. https://doi.org/10.1080/03066150.2018.1499093 

(4) Pratama, I.P., Winarso, H., Hudalah, D., Syabri, I. (2021). Extended Urbanization through Capital Centralization: Contract Farming in Palm Oil-Based Agroindustrialization. Sustainability, 13, S. 1-6. https://doi.org/10.3390/su131810044 

(5) Ruml, A.  Qaim, M. (2020). Smallholder farmers‘ dissatisfaction with contract schemes in spite of economic benefits: Issues of mistrust and lack of transparency. GlobalFood Discussion Papers, No. 13, University of Goettingen. S. 1-21. 

(6) Marakis, G., Gaitis, F., Mila, S., Papadimitriou, D., Tsigarida, E., Mousia, Z., Karpouza, A., Magriplis, E., & Zampelas, A. (2021). Attitudes towards Olive Oil Usage, Domestic Storage, and Knowledge of Quality: A Consumers’ Survey in Greece. Nutrients, 13(11), https://doi.org/10.3390/nu13113709