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Handel, Herrschaft, Hintergründe

Um Kaffee als globalisierte Wahre und kulturelles Gut besser skizzieren zu können, lohnt sich ein Blick in die Vergangenheit.

Als erste der 130 Kaffeearten wurde, mutmaßlich die wild wachsende Coffea arabica im äthiopischen Hochland von (muslimischen) Oromo als Genussmittel konsumiert, wobei erst seit dem 14. Jahrhundert direkte Referenzen zur Kaffeepflanze selbst hergestellt werden können. (1)

Von da an war die Verbreitung und der Konsum von Kaffee maßgeblich an den Islam und weiter den arabischen Kulturraum gekoppelt, sodass sich dieser als mehr oder minder legitimes (halales) Genussmittel über den Sufismus über das Rote Meer nach Norden an die muslimische Peripherie hin ausgebreitet hat. Dabei wandelte sich dessen Verwendung von einem wachhaltenden Getränk für nächtliche Gebete hin zu einem kommunikativen Genussmittel, welches von weitestgehend männlichen Eliten in eigens dafür erdachten Etablissements konsumiert worden ist. Auch wandelte sich die Zubereitung von einer leichten hin zu einer starken Röstung, welche heute als (türkischer) Mokka bekannt ist. (2)

In Westeuropa scheint Kaffee zunächst über italienische Häfen Einzug gefunden zu haben, so etwa 1575 in Venedig. In Österreich gibt es knapp 100 Jahre später darüber Berichte. Die eigentliche Kaffeekultur blieb in diesem Zusammenhang weitestgehend unverändert, wobei versucht wurde, sie insbesondere vom Islam zu entkoppeln. Bemerkenswert ist, dass Kaffee alsbald zusammen mit anderen neu „entdeckten“ Kolonialwaren wie Kakao, Tabak, Tee und Zucker konsumiert worden ist. In Zusammenhang mit dem nun auch in Europa langsam anwachsenden Bedarf an dem neuen Genussmittel, wurde Kaffee zunehmend domestiziert und über Ostafrika hinaus ab Mitte des 16. Jahrhunderts im Jemen kultiviert. (3)

Um die arabische Vormachtstellung im Gewürzhandel zu brechen, wurde die Suche nach eigenen Handelsrouten und in deren Folge die koloniale Expansion vorangetrieben, sodass die Niederländische Ostindienkompanie bereits 1696 in Indonesien den Kaffeeanbau als Teil eines feudalen Abgabensystems initiierte. 1712 wurde von selbiger die Pflanze unter dem Herrschaftssystem der Sklaverei in Surinam eingeführt. Die restlichen europäischen Kolonialstaaten folgten diesem auf Sklaverei basierenden System vor allem in der Karibik, sodass 80 % der weltweiten Kaffeeproduktion in den 1780ern aus der Region stammte. Diese Verlagerung hing auch mit der Ausbreitung des Pilzes Hemileia vastatrix zusammen, welcher die asiatische Produktion zunehmend zum Erliegen brachte und zu Experimenten mit anderen, resilienteren Kaffeearten führte. Im 19. Jahrhundert sollte sich der Anbau weiter nach Brasilien verlagern, welches eine der letzten großen Sklav*innenhalter*innengesellschaften der Welt darstellte und nach der Abolition auf verarmte italienische und später japanische Migrant*innen setzte. (4)

Etwa zeitgleich sollte Kaffee in den USA zum Konsumgut der Wahl avancieren. Dies hängt mit der Ablehnung „britischen“ Tees, der geographischen Nähe zu den Hauptanbaugebieten und der weiteren Distribution während des Bürgerkrieges zusammen. Dabei wurde Kaffee zunehmend zu einem Massengut, dessen Konsum durch die erhöhte Produktion und fallende Preise begünstigt worden ist. Ab dem 1840ern werden Kaffeebohnen in den USA erstmals geröstet vertrieben, was den Aufstieg der großen Röstereien einleitet. Ab 1900 kann eine weitere Verbreitung des Kaffeeanbaus im Norden Südamerikas beobachtet werden, welche neue Unterdrückungsmechanismen hervorbrachte und diesmal besonders die indigene Bevölkerung als Bewohner*innen der Hochländer betraf und unter eine Art Leibeigenschaft stellte.

Anfang des 20. Jahrhunderts stellten sich europäische Neuerungen wie Espressomaschinen (1905), Filterkaffee (1908) und Instantkaffee (1938) ein, wobei erst nach den beiden Weltkriegen Europa zu dem werden sollte, für das es heute bekannt ist, der weltgrößte Kaffeemarkt mit ausdifferenzierten nationalen Kaffeekulturen. Sie sind zumeist jedoch kaum älter als 70 Jahre. In den darauffolgenden Jahrzehnten kam es aufgrund der wachsenden Nachfrage zur (Wieder-)Erschließung weiterer Anabaugebiete in Südostasien und Ostafrika.

1971 wurde Starbucks und damit das Zeitalter der Coffeeshops eingeleitet, welches seit 2000 durch das hochspezialisierte Baristatum in Bedrängnis gerät. Heute wird die historische Trennung zwischen im Norden befindlichen kaffeekonsumierenden und im Süden verorteten produzierenden Gesellschaften immer weiter aufgelöst. Kaffee ist zu einem globalen Konsumgut geworden. Die darauf begründeten Herrschaftssysteme sowie die hohen klimatischen Anforderungen des Kaffees sind vor dem Hintergrund globaler Ungleichheiten und des Klimawandels jedoch relevanter denn je. (5)

Regionale Verbreitung der Kaffeeproduktion (%) (5)

Afrika und Arabien Asien Karibik Mittel- und Südamerika
1700 100 % 0 % 0 % 0 %
1830 2 % 38 % 28 % 32 %
1900 1 % 4 % 4 % 91 %
1970 30 % 3 % 6 % 61 %
2015 9 % 1 % 32 % 58 %

 

Literaturverzeichnis

(1) Yedes Janet, Clamons Robbin & Osman Amal: Buna: Oromo Women Gathering for Coffee. In: Journal of Contemporary Ethnography 33, 2004, S. 675 – 703.

(2) Michel Tuchscherer: ‘Coffee in the       Red     Sea      Area    from    the Sixteenth to    the Nineteenth Century’. In: William Gervase Clarence-Smith & Steven Topik (Hrsg): The      Global Coffee Economy        in         Africa, Asia, and Latin America, 1500 – 1989. Cambridge 2009. S. 50 – 66.

(3) Bennet Alan Weinberg        & Bonnie                Bealer (2002): The            World  of Caffeine. New York           2002.

(4) Steven Topik, ‘The Integration of the World Coffee Market’. In: William Gervase Clarence-Smith & Steven Topik (Hrsg): The Global Coffee Economy        in Africa, Asia, and Latin       America,         1500 – 1989. Cambridge 2009. S. 21 – 49.

(5) Jonatha Morris: Coffee. A Global History. London 2019.